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Irans Hauptstadt Teheran erlebt die größten Proteste seit 2012

Blick auf die Hauptstadt des Iran, Teheran. (Foto: Stefan Binder (c))

Die schlechten wirtschaftlichen Aussichten im Iran treiben die Menschen auf die Straßen. Die einflussreichen Händler Teherans schlossen sich Anfang der Woche den Demonstrationen an.

Im Iran brodelt es: Händler in Teherans großen Bazar nehmen seit Sonntag  an einem Protest gegen steigende Preise und den Verfall der iranischen Währung Rial teil. Läden wurden geschlossen und tausende Menschen gingen in der iranischen Hauptstadt auf die Straße.

Berichten zufolge feuerte die Polizei bei einer Demonstration Tränengas in die Menge, um die Menschenmassen zu zerstreuen, als sie Richtung Parlament marschierten.

Es war die größte Demonstration in Teheran seit 2012. Damals waren es internationale Sanktionen wegen Irans Atomprogramm, die die Wirtschaft der Islamischen Republik in die Knie zwangen. Verkürzt formuliert führte der Unmut zu einer neuen Regierung und dem erfolgreichen Abschluss der Atomverhandlungen. Viele Sanktionen wurden in Folge dessen aufgehoben.

Rial stürzt ab

Doch US-Präsident Donald Trump stieg 2018 aus der zwischen dem Iran und der EU, USA, Russland und China getroffenen Vereinbarung aus. Im August werden die US-Sanktionen, die auch viele nicht-amerikanische Unternehmen betreffen werden, in Kraft treten. Als Reaktion darauf fiel der Rial auf ein neues Rekordtief auf den internationalen Märkten. 1 US-Dollar ist derzeit rund 90.000 Rials wert. Vor der Ankündigung von Donald Trump waren das noch 65.000 Rials.

Wichtige Player im Iran: Die Händler in den Bazaren Teherans (Foto: Stefan Binder ©)

Wegen dem Währungsverfall traten auch Händler in zwei Einkaufszentren in Teheran, die sich auf den Verkauf von Mobiltelefonen spezialisiert haben, am Sonntag kurzfristig in Streik.

Mächtige Bazaaris

Dass Händler in Streik treten, ist im Iran eine gefährliche Angelegenheit – das lehrt die Geschichte. Denn die Händlerkaste im Iran ist nicht unbedeutend: Ohne die sogenannten Bazaaris wäre die Islamische Revolution 1979 wohl nicht so erfolgreich vonstatten gegangen. Bazaaris, die im Iran eng mit der religiösen Kaste verwoben sind, unterstützten während der der Anti-Shah Proteste in den 1970er die Opfer des Regimes und ihre Familien. Auch die  Streiks gegen das Regime wären ohne die Unterstützung der Bazaaris wohl nicht so lange durchzuhalten gewesen. Auch vierzig  Jahre später ist der Unmut der Bazaaris für den moderaten Präsidenten Hassan Rohani eine gefährliche Situation. Dessen Regierung versuchte unter anderem mit strikten Importbeschränkungen den Iran unabhängiger zu machen – bisher ohne Erfolg. Unter anderem an dem Einfuhrverbot für mehr als 1.300 verschiedene Warengüter stoßen sich die Händler Teherans.

Die Demonstrationen diese Woche sind nur die jüngsten in einer ganzen Reihe von Protesten gegen die wirtschaftliche Probleme im Land. Im Dezember und Jänner gingen tausende Menschen auf die Straßen – damals jedoch vorwiegend in Städten außerhalb Teherans.

Durch den dramatischen Verfall des Rials stiegen die Kosten auf importierte Waren im ganzen Land drastisch. Gleichzeitig verlässt Geld das Land in Scharen: Laut dem Internationalen Währungsfond wurden rund 27 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr außer Landes gebracht. Um ihre Ersparnisse in Sicherheit zu bringen, haben viele Iraner in Immobilien, Gold und neue Autos investiert – was den Preis dieser Güter ebenfalls in die Höhe schießen ließ.

Autor: Stefan Binder.
Veröffentlicht am 26.6.2018
Titelbild: Stefan Binder ©

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The Atlantic: A Bazaari’s World
Stefan Binder: Stefan Binder ist Journalist und Blogger in Wien.
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