Saif al-Adel sei neuer Chef der Terrororganisation, behaupten Medien. Ein kritischer Blick auf eine „bestätigte Meldung“, die keine ist.
Die Schlagzeilen sind dem Ägypter gewiss. Saif al-Adel, einst Offizier der ägyptischen Spezialkräfte, wurde „zum neuen al-Kaida-Chef“ und „Nachfolger Bin Ladens“ ernannt – so titeln zumindest Medien.
Die Information hierzu stammt von Noman Benotman, der für die angesehene britische Denkfabrik Quilliam arbeitet. Benotman kennt führende al-Kaida-Mitglieder seit mehr als zwei Jahrzehnten – er war selbst aktiver Führer der islamistischen LIFG (Libyan Islamic Fighting Group).
Medien-Hysterie
In den Medien wird einhellig berichtet, dass „die pakistanische Tageszeitung „The News“ die Informationen bestätigte“. Was nicht berichtet wird: Sowohl Benotman als auch „The News“ dürften ein und dieselbe Quelle haben. Von unabhängiger Bestätigung kann also keine Rede sein. Ebenfalls ausständig ist eine in solche Fällen übliche Stellungnahme von al-Kaida in einschlägigen Internetforen und Webseiten. Die Nachricht ist also mit Vorsicht zu genießen. Auch die Bezeichnung „al-Kaida-Chef“ ist wohl übertrieben. Wie Benotmann in einem Interview mit Spiegel-Online selbst sagt, ist al-Adel nicht zum Emir (=al-Qaida-Chef) der Terrororganisation ernannt worden.
Weiters, so Benotmann in einem Gespräch mit dem Terrorexperten Peter Bergen, wurde al-Adel ernannt, da in jihadistischen Internetforen Unruhe und Unsicherheit eingekehrt ist, weil bisher kein Nachfolger Bin Ladens ernannt wurde. Ein Zustand, auf den al-Kaida in den vergangenen Jahren jedoch nie sonderlich Rücksicht nahm. Wieso also jetzt?
Saif al-Adel
Der bisherige Favorit auf Bin Ladens Nachfolge war der ägyptische Vize-Emir Ayman az-Zawahiri. Peter Bergen vermutet jedoch, dass der jemenitisch-saudische Zweig der al-Kaida, die „al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel“, von einem Ägypter an der Spitze der Terrororganisation wenig begeistert ist (Osama bin Laden war saudischer Staatsbürger mit jemenitischen Wurzeln). In diesem Zusammenhang würde aber eine Ernennung al-Adels zum Interims-Chef wenig Sinn ergeben – al-Adel ist auch Ägypter.
An einschlägiger Erfahrung mangelt es ihm jedoch nicht:
Al-Adel kämpfte bereits in den 1980ern gegen die Sowjets in Afghanistan. Vermutlich war er auch an den Anschlägen gegen US-Botschaften in Kenia und Tansania im Jahr 1998 beteiligt. Nach dem Sturz der Taliban im Winter 2001 floh er angeblich in den Iran. Von dort aus soll er Anschläge in Saudi-Arabien authorisiert haben, die seit 2003 zahlreiche Todesopfer im Königreich forderten. Seine Position innerhalb al-Qaidas ist hingegen unklar. Sicher ist nur, dass er eine Führungsrolle in der Terrororganisation gespielt hat.
Treueschwur
Die Bestellung einer Übergangsanführers erlaubt Ayman az-Zawahiri das Sammeln von Treueschwüren (Baya = eine Art religiöser Eid) von wichtigen al-Qaida-Anführern im gesamten Nahen Osten (allen von den Zweig-Organisationen ‘al-Kaida im islamischen Maghreb’, ‘al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel‘, ‘islamischer Staat im Irak’). Jene aus dem Irak dürfte er bereits haben.