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Wettbewerb um Kapital und Touristen verschärft sich am Golf ganz unislamisch

Skyline von Dubai. (Foto: Yogendra Joshi/Flickr - (CC BY 2.0) https://www.flickr.com/photos/yogendra174/24143161757/

Titelbild: „Glittering Dubai“ von  Yogendra Joshi/Flickr, Lizenz: (CC BY 2.0)

Saudi-Arabien will sich öffnen und Dubai sticht die Fässer an: Um für Ausländer attraktiver zu sein entflammt am Golf ein Wettkampf wer vermeintlich liberaler ist.

Überspitzt formuliert, war es der feuchteste Ramadan in der Geschichte Dubais: Der Alkohol floss in dem kleinen Golfemirat bei Tageslicht wie noch nie zuvor während eines Fastenmonats. Nach islamischer Auffassung wurde im Ramadan der Koran zu den Menschen herabgesandt. Gläubige Muslime essen und trinken von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im neunten Monat des islamischen Mondkalendars daher nichts. Normalerweise ist die Fastenzeit auch für Nicht-Muslime in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine eher trockene Angelegenheit: Alkohol durfte während des Tages bisher nicht öffentlich ausgeschenkt werden. Als diesen Juni der Ramadan in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu Ende ging, war das allerdings anders.

Bisher mussten Ausländer im Ramadan bis Sonnenuntergang warten, um Alkohol in einer lizenzierten Bar zu bekommen. Auch das Angebot an geöffneten Kaffees und Restaurants war bei Tageslicht  überschaubar. So wie das bisher noch immer in vielen Nachbarstaaten praktiziert wird: In Saudi-Arabien ist der Verkauf von Alkohol ohnehin gänzlich verboten, auch Nicht-Muslime dürfen dort im Ramadan in der Öffentlichkeit nicht essen, trinken oder rauchen. In Katar ist der Verkauf von Alkohol während des Fastenmonats verboten und im Oman darf erst nach Sonnenuntergang Alkohol verkauft werden.

Firmen im Eigentum von Ausländern

In Dubai hingegen durfte nun sogar erstmals im Fastenmonat auch zum Popcorn gegriffen werden. Bisher galt in den Emiraten bei Tageslicht sogar ein Verbot für die Snacks im Kino. Auch Filme mit expliziten Referenzen auf Gewalt und sexuelle Handlungen waren im Ramadan erstmals gestattet.   

In den Vereinigten Arabischen Emiraten, wie auch in vielen anderen arabischen Staaten, wird im Fastenmonat Ramadan allabendlich eine Kanone abgefeuert. Über die Entstehungsgeschichte des Brauchs gibt es mehrere Überlieferung, klar ist nur, dass er ursprünglich aus Ägypten kommt. In Dubai wird diese Tradition seit den 1960ern praktiziert. Einmal täglich wird ein Schuss abgefeuert, um den Beginn des Fastenbrechens am Abend zu signalisieren. (Foto:„Ramadan Canon Tradition @ Musalla (3)“ von Gabby Canonizado/Flickr , Lizenz: CC BY 2.0)

Die Änderungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten betreffen nicht nur feucht-fröhliche Angelegenheiten. Im Mai wurden die Auflagen für Aufenthaltsgenehmigung im Land erleichtert. War bisher ein Arbeitsaufenthalt von bis zu drei Jahren gestattet, ist er nun auf bis zu 10 Jahre ausgeweitet worden. Auch die Regelung, dass Firmen in den Emiraten zur Hälfte im Eigentum von Einheimischen stehen müssen, wurden gelockert.

Radikalkur

Der Grund für den neuen Geschmack an Liberalität liegt nur wenige Kilometer entfernt. Saudi-Arabien, ultrakonservatives und streng-islamisches Königreich auf der Arabischen Halbinsel, unterwirft sich unter Führung von Kronprinz Mohammed bin Salman gerade einer Radikalkur. Unter dem Kommando von MbS, wie der Kronprinz auch genannt wird, wird eine Öffnung des Landes von oben herab verordnet. Die Aufhebung des Fahrverbots für Frauen, das Ende Juni außer Kraft gesetzt wurde, ist dabei nur die Spitze des Eisberges. Im wahhabitischen Königreich werden Themenparks, Kinos, Finanz- und Freihandelszonen geplant.

Revolution von oben verordnet: Kronprinz Mohammad bin Salman krempelt das saudische Königreich kräftig um. (Foto: DoD photo by Navy Mass Communication Specialist 1st Class Kathryn E. Holm, Lizenz:  CC BY 2.0)

Damit bedroht man aber das Geschäftsmodell der Nachbarn. Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate haben nicht nur gut von reichen Saudis gelebt, die sich im benachbarten Ausland vor den strengen Regeln im eigenen Land erholten. Vor allem haben die Kleinstaaten am Golf vom liberalen Image, das weit über die Arabische Insel hinaus strahlte, profitiert und so Arbeitskräfte, Kapital und Investoren angelockt.

Weniger Direktinvestitionen

Nun will plötzlich Saudi-Arabien ein Stück von diesem Kuchen – ausgerechnet als die Wirtschaft am Golf Gefahr läuft, einen Dämpfer zu erleiden. In Dubai schwächelt der Immobilienmarkt und die Direktinvestitionen in der Region gehen zurück. Auch die Öffnung Saudi-Arabiens ist teilweise darauf zurückzuführen: Direktinvestitionen im Land sind auf dem niedrigsten Stand seit 2002. Deswegen und um für den Tag nach dem Öl bereit zu sein, muss die wirtschaftliche Monokultur des Landes dramatisch diversifiziert werden. Die radikalen sozialen und wirtschaftlichen Reformen in Land sind mehr realpolitische Notwendigkeit denn liberale Vision des Kronprinzen.

Nachbarschaftliche Konkurrenz für das DIFC: 2004 gegründet, ist das Dubai International Financial Centre eine finanzielle Freihandelszone innerhalb Dubais mit eigenem Rechtssystem und Steuerrecht. Das Finanzzentrum für den Nahen Osten, Afrika und Südostasien könnten nun Konkurrenz aus Saudi-Arabien bekommen. (Foto: „20170517-IMG_0476“ von Abdul Rahim Al Moustapha/Flickr , Lizenz: CC BY 2.0)

Auch andere Staaten in der Region bereiten sich auf die Öffnung Saudi-Arabiens vor. Katar hat die Auflagen für Aufenthaltsgenehmigung gelockert. Kuwait und Bahrain erlauben seit vergangenem Jahr, dass Firmen zu 100% im Eigentum von Ausländern stehen können.

Doch die Vereinigten Arabischen Emirate, die das Image des liberalen Vorreiters in der Region wie niemand sonst hegen und pflegen, fürchten offenbar am meisten zu verlieren. Da werden Regeln rund um den Fastenmonat plötzlich zweitrangig.

Autor: Stefan Binder.
Veröffentlicht am 15.4.2018
Titelbild: „Glittering Dubai“ von  Yogendra Joshi/Flickr, Lizenz: (CC BY 2.0)

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Stefan Binder: Stefan Binder ist Journalist und Blogger in Wien.
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