Titelbild:“Noose from The Sex and Death Gallery“ von Fraser Mummery/Flickr ,Lizenz: (CC BY 2.0)
Nur wenige Länder richten so viele Menschen hin wie der Iran. In einer überraschenden Wende schafft die Islamische Republik nun die Todesstrafe für gewisse Drogendelikte ab.
30 Gramm – so viel reichen, um im Iran an den Galgen zu kommen. Wer mit dieser Menge harter Drogen in der Islamischen Republik erwischt wird, dem droht die Todesstrafe. Zumindest galt das bis jetzt.
In einer überraschenden Wende schafften das iranische Parlament und der Wächterrat, das mächtige klerikale Organ, das jedes beschlossene Gesetz absegnen muss, Mitte November 2017 die Todesstrafe für mehrere Drogendelikte ab. Ein Todesurteil darf ab sofort nur bei jenen gefällt werden, die beim Schmuggel von zwei Kilogramm harter Drogen oder mehr als 50 Kilogramm von Cannabis und Opium erwischt werden. Für Wiederholungstäter und Drogenvergehen mit Todesfolge bleibt die Todesstrafe ebenfalls weiter bestehen.
Hassan Nowruzi, Sprecher für den Justizausschuss des iranischen Parlaments sagte im November 2016, dass 5.000 Menschen im Iran wegen Drogendelikten auf die Vollstreckung ihres Todesurteil warten, die Mehrheit sei zwischen 20-30 Jahre alt, der Großteil seien Ersttäter. Ein Monat zuvor forderten rund 150 Abgeordnete des Parlaments ein Ende der Todesstrafe für Drogenschmuggel mit kleinen Mengen. Außerdem forderten sie ein Ende für Hinrichtungen für jene Menschen, die aus Verzweiflung oder Armut in den Drogenhandel eingestiegen sind. Das würde wohl auch viele Afghanen betreffen, die im Iran auf die Vollstreckung ihrer Todesurteile warten. Der Schmuggel in und durch den Iran ist für Afghanen, die im eigenen Land schwer eine Möglichkeit finden einer legalen Erwerbstätigkeit nachzugehen, oft die einzige Möglichkeit finanziell das Auslangen zu finden.
Hunderte Hinrichtungen pro Jahr
Die Gesetzesänderung hat außen- wie auch innenpolitische Gründe – aber vor allem pragmatische. Der Iran vollstreckt Schätzungen zufolge weltweit die meisten Hinrichtungen pro Kopf. 2016 wurden laut Menschenrechtsorganisationen mindestens 567 Menschen hingerichtet, 70 Prozent davon wegen Drogenvergehen. Mindesten 977 Menschen wurden im Jahr zuvor hingerichtet.
Die vielen Exekutionen, die im Land oft zu einem grausame öffentlichen Schauspiel verkommen, haben allerdings wenig dazu beigetragen, die Drogenmissbrauchsepidemie im Land einzudämmen. Das bestätigte auch Mohammed Baqer Olfat, hochrangiger Beamter in der iranischen Justiz. Der illegale Drogenhandel sei nicht zurückgegangen, sondern – im Gegenteil – im Steigen begriffen. Drogenschmuggler sollten statt zur Todesstrafe zu langen Gefängnisstrafen mit harter Arbeit verurteilt werden, so Olfat.
Für Irans Präsident Rohani ist das Gesetz ein politischer Sieg – wenn auch ein kleiner. Mit vielen Versuchen das Land politisch und sozial zu öffnen ist der vergleichsweise moderate Präsident nämlich gescheitert. Die Reduzierung der hohen Anzahl an Todesurteilen bringt ihm einen dringend benötigten politischen Sieg.
International am Pranger
Aber auch auf der internationalen Bühne – so wohl das Kalkül in Teheran – gibt das neue Gesetz dem Regime politisch Luft zu atmen. Die Islamische Republik steht trotz Atomdeals wegen Menschenrechtsverletzungen, dem Vorwurf, dass es schiitische Extremisten im Libanon, Syrien, dem Irak und Jemen unterstützt und seinem Raketenprogramm international am Pranger. Eine Reduzierung der Todesurteile kommt da gerade Recht.
Neben schweren Drogendelikten bleibt im Iran die Todesstrafe freilich weiterhin bestehen, unter anderem für: Mord, Vergewaltigung, Kindesmissbrauch, Sodomie, bewaffneten Raub, Entführung, Terrorismus, Pädophilie, Homosexualität, Inzest, Unzucht, verbotene sexuelle Beziehungen, Prostitution, Pläne, das islamische Regime zu stürzen, Sabotage, Brandstiftung, Apostasie, Ehebruch, Blasphemie, Spionage, Verrat sowie mehrere militärische Vergehen.