Royal Navy: Schleichender Niedergang einer globalen Seemacht

HMS Illustrious at sea during Cougar 2013.
Titelbild: Ministry of Defence (Open Government License) 

Die britische Marine hat so wenige Schiffe wie noch nie in ihrer Geschichte. Zwei neue Flugzeugträger sollen Besserung bringen.

Anfang Dezember trat die HMS Illustrious ihre letzte Reise an. Von ihrer einstigen Funktion als Flugzeugträger zeugt nur mehr das große Flugdeck, die Kampfjets sind verschwunden, der Großteil der Technik ausgebaut. Von Portsmouth aus, dem Hauptstützpunkt der Royal Navy in Südengland, stach das 22.000 Tonnen schwere Schiff Richtung Türkei in See – Rückkehr ausgeschlossen.

„Lusty“, wie der Flugzeugträger von seiner Besatzung liebevoll genannt wurde, stammt aus einer Ära, als es in Portsmouths Hafen noch geschäftiger zuging und in der angeschlossenen Werft noch Schiffe gebaut wurden. Selbst in den 1980ern, als das Empire schon lange verloren war und Großbritannien innenpolitisch von Streiks und Unruhen erschüttert wurde, war die Royal Navy noch der schlagkräftigste und furchteinflößendste Arm der britischen Streitkräfte. Diese Erfahrung mussten nicht zuletzt die Argentinier machen, als sie 1982 die Falklandinseln im Südatlantik überfielen und besetzten. Eine britische Flotte bestehend aus rund 100 Schiffen, darunter zwei Flugzeugträger, vertrieb nach rund zwei Monate dauernden Kämpfen die Argentinier von den Inseln.

Auch die „Lusty“ sollte folgen und patrouillierte nach der Rückeroberung im Südatlantik. Großbritannien konnte noch einmal beweisen, dass es eine ernstzunehmende Seemacht ist. Die Rückkehr der siegreichen Flotte wurde zum glanzvollen Schlusspunkt.

Video: Rückkehr des Flugzeugträgers HMS Hermes nach der Rückeroberung der Falklandinseln.

Vom einstigen Glanz ist nicht mehr viel übriggeblieben. Bestand die britische Marine in den 1980er-Jahren noch aus 13 Zerstörern und 53 Fregatten, waren es 20 Jahre später nur mehr elf Zerstörer und 21 Fregatten. 2016 sind davon lediglich sechs Zerstörer und 13 Fregatten übrig. Flugzeugträger hat die Royal Navy bis zur voraussichtlichen Indienststellung der HMS Queen Elizabeth im Jahr 2020 gar keine mehr. Diese wären derzeit auch unnötig, hat doch die britische Marine keine eigenen Flugzeuge mehr, nachdem die Sea Harrier, die einst auch vom 200-Meter-Deck der Illustrious starteten, 2010 in Pension geschickt wurden.

Inselnation

Als Inselnation war Großbritannien immer davon abhängig, seine Seewege zu schützen und Überseegebiete zu verteidigen. Aber die Flugzeugträger, Zerstörer und Fregatten dienten den Briten auch für etwas anderes: Machtprojektion. Mit Basen in fast jedem Teil der Welt konnten die Briten dort Präsenz zeigen, wo es weltpolitisch gerade nötig war. Gemeinsam mit der nuklearen Schlagkraft und einem nach wie vor riesigen Netzwerk an Botschaften und diplomatischen Außenposten war die Royal Navy einer der Gründe, warum das vergleichsweise kleine Königreich auf der Weltbühne politisch weit über seiner Gewichtsklasse auftreten konnte.

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Noch hat Großbritannien das zweithöchste Militärbudget innerhalb der Nato. Alle westlichen Seestreitkräfte haben in den vergangenen Jahren ihre Flotten reduziert – die US-Marine hat statt 600 Schiffen nur mehr rund 400 in ihrer Flotte. Doch nirgends gingen die Kürzungen so an die Substanz wie bei den Briten. Müsste die Royal Navy heute ausrücken, um die Falklandinseln zurückzuerobern, würde wohl kein Schiff zurückbleiben können, um die Britischen Inseln selbst zu verteidigen.

Verteidigungsbudget halbiert

Es ist das Resultat einer dreißigjährigen Sparpolitik: In den 1980ern wurden noch knapp mehr als vier Prozent des britischen Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgegeben, 2010 waren es noch 2,6 Prozent, bis 2015 sank das Budget auf 2,0 Prozent des BIP. Summa summarum hat sich das britische Verteidigungsbudget innerhalb von 30 Jahren halbiert. Das reicht für gerade noch 89 Schiffe.

Im Verteidigungsministerium verweist man darauf, dass neue Schiffe gebaut werden – unter anderem zwei Flugzeugträger der Queen-Elizabeth-Klasse, die größten Schiffe, die je für die Royal Navy gebaut wurden. Bis zu 40 Flugzeuge und Hubschrauber sollen von ihrem mehr als 280 Meter langen Flugdeck abheben.

Der britische Flugzeugrtäge Queen Elizabeth und ihr Schwesterschiff HMS Prince of Wales im Hintergrund
In Bau: Flugzeugträger der Queen-Elizabeth-Klasse. Verdrängung: 65.000 Tonnen.  Länge: 284 Meter. Breite: 73 Meter, Höchstgeschwindigkeit: 27+ Knoten. Besatzung: 1.450 Mann. Schiffe in Bau: 2. Foto: Ministry of Defence (Open Government License)

Was man nicht dazusagt: Die beiden Schiffe könnten ausgerechnet aufgrund ihrer Größe (65.000 Tonnen) mehr Schaden anrichten, als sie Nutzen bringen. Schon heute hat die Navy nicht genug Personal, um die bestehende Flotte zu bemannen. Deswegen versetzte die Marineführung die Fregatte HMS Lancaster in sogenannte „extended readiness“. Übersetzt heißt das, dass das Schiff im Heimathafen verbleibt. Die Crew wurde auf andere Schiffe verteilt, um dort Personalengpässe zu lindern. Hinzu kommt, dass jeder Flugzeugträger Begleitschiffe braucht, die die Riesenschiffe, die ein leichtes Ziel für Angriffe sind, beschützen und somit reduziert jeder Flugzeugträger im Einsatz die restliche Flotte weiter.

Modernisierungsprogramm

Das britische Verteidigungsministerium hält dem entgegen, dass es Milliarden in neue, hochmoderne Schiffe investiert. Doch diese Schiffe werden technologisch immer aufwendiger und teurer, und so können mit dem gleichen Geld weniger Schiffe in See stechen.

Computeranimation der Typ-26-Fregatte, die künftig in der Royal Navy fahren soll
Noch in Planung: die Typ-26-Fregatten. Verdrängung: 6.900 Tonnen. Länge: 150 Meter Breite: 21 Meter. Höchstgeschwindigkeit: 26+ Knoten. Besatzung: 118 Mann. Geplante Schiffe: 8 . Foto: BAE Systems.

Und mit den vergleichsweise wenigen Schiffen, die es noch gibt, gibt es Probleme. Die Zerstörer vom Typ 45, die modernsten Schiffe der Royal Navy, hätten zum Aushängeschild des Modernisierungsprogramms werden sollen. Der Lenkwaffenzerstörer galt als Hoffnungsträger der Navy, bis die Kosten explodierten. Die Bestellung von ursprünglich zwölf der geplanten Hightech-Schiffe wurde zunächst auf acht gekürzt, am Ende sind nur sechs bei der britischen Marine angekommen.

Neue Triebwerke

Nach Indienststellung entdeckte man, dass dem Schiff hohe Wassertemperaturen, wie sie zum Beispiel am Golf herrschen, über längere Zeit nicht gut bekommen. Das Resultat: Die Triebwerke des Zerstörers, der bereits ohne Probleme mehr als eine Milliarde Euro pro Stück kostete, müssen ausgetauscht werden.

Das britische Kriegsschif HMS Diamond der Royal Navy
Bereits im Dienst, aber mit Triebwerksproblemen: die Typ-45-Zerstörer. Verdrängung: 8.400 Tonnen. Länge: 152 Meter. Breite: 21 Meter. Höchstgeschwindigkeit: 30 Knoten. Besatzung: 191 Mann. Gebaute Schiffe: 6. Foto: Ministry of Defence (Open Government Licence)

Die Schwäche der Royal Navy kommt für Kritiker zur Unzeit. In einem vernichtenden Bericht warnt das britische Parlament, dass sich in jüngster Zeit öfter „russische Kriegsschiffe und U-Boote britischen Hoheitsgewässern nähern“. Das macht auch britische Parlamentarier nervös. „Es ist unsere Überzeugung, dass die Zahl an Fregatten, Zerstörern und Personal die Bedrohung für das Vereinigte Königreich nicht adäquat wiedergibt.“

Das Parlamentskomitee rät dringend zum Bau von mehr Schiffen, um für künftige Bedrohungsszenarien gewappnet zu sein.

Britischer Type-45-Zerstörer der Royal Navy und ein russischer Flugzeugträger
Der britische Zerstörer HMS Dragon begleitet den russischen Flugzeugträger Admiral Kuznetsov. Kein Einzelfall: 2016 musste die Royal Navy so oft wie schon lange nicht mehr ausrücken, um russische Kriegsschiffe nahe britischen Hoheitsgewässern zu eskortieren. Foto: Ministry of Defence (Open Government Licence)

Bedrohungen, um die sich die HMS Illustrious nicht mehr kümmern muss. Das Schiff wurde Ende Dezember in einer Werft im türkischen Izmir verschrottet.

Autor: Stefan Binder.
Veröffentlicht am 26.8.2019.
Titelbild: Bilder aus besseren Zeiten: Die HMS Illustrious im Jahr 2013.Quelle: Ministry of Defence (Open Government License) 

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