Titelbild:„Saharov-díj est5“ von Flickr/Európa Pont (CC BY 2.0)
Mit Wael Abbas wurde einem der bekanntesten ägyptischen Aktivisten der Twitter-Account gesperrt. Wie lange und warum – dazu schweigt der Kurznachrichtendienst
Plötzlich kein Twitter-Account – was bei österreichischen Alpha-Männchen Albträume auslöst, ist nun dem Star der ägyptischen Bloggerszene passiert. Auf Facebook schrieb Wael Abbas am Sonntag, dass Twitter ihm eine “E-Mail geschickt hat“, dass sein „Account für einen bestimmten Zeitraum“ suspendiert worden sei. Zuvor habe er allerdings eine E-Mail bekommen, in der Twitter ankündigte, der Account würde “nicht wiederhergestellt”. Die Gründe dafür, so Abbas, sei das Tech-Unternehmen aber schuldig geblieben.
Vor seiner Suspendierung hatte Abbas rund 350.000 Follower auf Twitter. Viele dieser Follower protestierten gegen die Suspendierung, darunter der ägyptische Menschenrechtsaktivist Sherif Azer oder der Vorsitzende der Human Rights Foundation und Schachweltmeister Garry Kasparov.
As a PhD student working on cyberactivism during Arab Spring, I can't accept @Twitter decision to close @waelabbas account as it is a live archive to the events of the revolution and till today in one of few accounts still documenting human rights abuses in Egypt. Please open it
— شريف عازر (@sherif_azer) December 17, 2017
Die Aufregung kommt nicht von ungefähr: Abbas ist einer der bekanntesten Gesichter der ägyptischen Revolution. Seit 2004 dokumentiert er auf seinem Blog Misrdigital (Misr = Arabisch für Ägypten) Korruption, Polizeigewalt und Massenübergriffe gegen Frauen in Ägypten. Seine Blogeinträge über Polizeigewalt führten 2007 unter anderem zu mehreren Verurteilungen von Beamten. Für sein Engagement erhielt er zahlreiche internationale Auszeichnungen, darunter den Journalismus-Preis des “International Center for Journalists” oder den Hellman/Hammett Award von Human Rights Watch. CNN machte ihn 2007 zur Nahost-Persönlichkeit des Jahres.
All das brachte Abbas nicht nur Ärger durch die ägyptischen Behörden ein, sondern auch Probleme im Internet: 2007 wurde sein Youtube-Account geschlossen, später auch sein Yahoo-Account. Immer wieder wurde vermutet, das sei auf Druck der ägyptischen Behörden geschehen, denen Abbas’ Engagement ein Dorn im Auge ist. Ein Hinweis, dass das auch dieses Mal der Fall sein könnte, liefert die ägyptische Staatszeitung al-Ahram. Sie berichtete, der Twitter-Account von Abbas sei aufgrund der “Absicht, Gewalt anzustiften” suspendiert worden. Abbas antwortete darauf auf Facebook: “Die größte offizielle Tageszeitung in Ägypten ist glücklich, dass mein Twitter-Account suspendiert wurde. Das sagt einiges aus, oder? Muss ich noch irgendwas sagen?”
Twitter sagt hingegen gar nichts. Eine Stellungnahme des Unternehmens liegt nicht vor.
Verhaftungen
Die Einschüchterungsversuche gibt es nicht nur digital: Während der Revolution in Ägypten wurde er gemeinsam mit zahlreichen anderen Bloggern verhaftet, 2016 klickten bei ihm erneut die Handschellen, als er in sein Heimatland zurückkehrte.
Schon unmittelbar nach der Revolution in Ägypten 2011 warnte Abbas in einem Interview bei seinem Wien-Besuchs vor zu viel Optimismus: “Das größte Missverständnis ist, dass die Menschen glauben, die Revolution sei erfolgreich und hätte Demokratie gebracht. Aber um stabile Demokratien zu errichten braucht man Menschen die aufgeklärt sind, damit sie die richtigen Entscheidungen treffen.”
Autor: Stefan Binder.
Veröffentlicht am 20.12.2017
Titelbild:„Saharov-díj est5“ von Flickr/Európa Pont (CC BY 2.0)