Die Zeitung al-Ru’ya berichtete über hohe Energiepreise in den Vereinigten Arabischen Emirate. Kurze Zeit später kam es zu Massenentlassungen. Kein Einzelfall.
Partys mit leicht bekleideten Damen in Bikinis am Traum-Strand, Wolkenkratzer die wie Schwammerl aus dem Boden schießen gepaart mit einem für Unternehmen attraktiven Wirtschaftsumfeld- so präsentieren sich die Vereinigten Arabischen Emirate gerne nach außen. Doch hinter der liberalen Fassade steckt ein autokratisches System. Das durften die Mitarbeiter der Zeitung al-Ru’ya (الرؤية, die Vision) erfahren.
Der Anlass war vermeintlich harmlos. Im Sommer stiegen auch in den Vereinigten Arabischen die Energiepriese aufgrund des Ukraine-Krieges an. Anders als viele seiner Nachbarn, sind Öl- und Gaspreise in den Emiraten nicht subventioniert. Die Einwohner spürten die Krise an der Zapfsäule ungedämpft. Die Redakteure der Zeitung al-Ru’ya interviewten Einwohner der Emirate und wie sie damit umgehen. Das Interesse war sichtlich groß, die Geschichte verbreitete sich in den Sozialen Medien wie ein Lauffeuer.
Entlassungen
Trotz dieses Erfolges verschwand die Geschichte innerhalb weniger Stunden von der Home-Page. In der Print-Ausgabe ist sie nie erschienen. Es sollte erst der Anfang sein. Mitarbeiter, die mit dem Artikel zu tun hatten, wurden kurz nach Erscheinen von Vertretern und Rechtsanwälten des Eigentümers der Zeitung befragt, berichtet die Associated Press (AP). Eine Woche später, wurden die befragten Personen vor die Wahl gestellt: Freiwillig kündigen und eine Abfindung kassieren oder Rauswurf und weitere Repressalien. Jene die freiwillig ihren Abschied nahmen, mussten ein Schriftstück unterschreiben, dass sie sich nicht zu dem Fall äußern, so die AP weiter.
IMI steht für International Media Investments, das Unternehmen gehört Sheikh Mansour bin Zayed Al Nahyan, Bruder der Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate und Mitglied der Herrscherfamilie der Vereinigten Arabischen Emirate. Pikant: Neben Sky News Arabia und der Zeitung The National, besitzt IMI auch Anteile am europäischen Nachrichtensender Euronews.
Laut IMI habe die Einstellung nichts mit der kritischen Berichterstattung zu tun. Vielmehr sei geplant, dass man mit CNN Business Arabic ein neues, arabischsprachiges Wirtschafts-Portal starten soll. Das launcht allerdings erst zu Jahresende. Warum im Sommer plötzlich Schluss sein musste, erschließt sich aus der Stellungnahme von IMI nicht.
Nur gute Nachrichten über die Emirate
Die Einstellung wirft erneut ein Schlaglicht auf die schlechte Situation in Sachen Presse- und Meinungsfreiheit. Theoretisch garantiert die Verfassung der Vereinigten Arabischen Emirate die Pressefreiheit im Land. Von lokalen Medien wird aber erwartet, dass sie vor allem gute Nachrichten über die Emirate verbreiten, damit das Image, als offenes und für Investoren attraktives Land, bloß keine Risse bekommt. Ähnlich wie al-Ru’ya, stehen die meisten Medien in den Emiraten im Besitz von Organisationen und Unternehmen, die enge Verbindungen zur Regierung haben. Reguliert werden Zeitungen, Online-Portale und TV- und Radiosender vom nationalen Medienrat, der allerdings auch darauf achtete, dass der „soziale Zusammenhalt“ von der Berichterstattung gefährdet wird. Der Begriff ist so vage, dass damit Zensur von kritischer Berichterstattung Tür und Tor geöffnet wird.
Während des arabischen Frühlings ist gegen Menschen, die online Kritik übten, scharf vorgegangen. Dabei ist man kreativ: 2012 wurde mit Hilfe des Gesetzes gegen Cyberkriminalität gegen Journalisten vorgegangen. Oftmals bedient man sich auch der Gesetzte gegen Verleumdung, Beleidigung des Staates oder Verbreitung von Falschinformationen, um gegen Kritiker vorzugehen. Die Zensur beschränkt sich längst nicht mehr nur auf politische Themen. 2017 wurde ein Online-Wirtschaftsmagazin kurzzeitig verbannt, nachdem es über zahlreiche Immobilienprojekte, die der Finanzkrise zum Opfer gefallen sind und liquidiert werden mussten, berichtet hatte. Solche Exempel führen in vielen Fällen dazu, dass sich viele Medien in den Emiraten selbst zensurieren, noch bevor eine staatliche Behörde interveniert.
Hinterer Platz bei der Pressefreiheit
Die Regierung verfolge abweichende Stimmen, heißt es von Seiten der Organisation. Bei den eigenen Landesgrenzen macht man dabei nicht halt, so RSF. Sogar „im Ausland lebende emiratische Journalisten laufen Gefahr schikaniert, verhaftet oder ausgeliefert zu werden“.