Propaganda-Bild eines österreichischen Jihadisten in Syrien: Abu Hamzah Nimsawy berichtet über seine Erlebnisse in Syrien. Foto: Screenshot
Immer mehr ausländische Jihadisten tummeln sich im Bürgerkrieg in Syrien. Ihre Bedeutung ist umstritten.
„Mein Name ist Abu Hamzah Nimsawy. Ich habe in Wien gelebt, bis mich Allah rufte und ich den Rufen gehorchte und mich zum Boden der Ehre in Syrien aufmachte“ (sic!), sagt eine Stimme auf einer Audiobotschaft, die vergangene Woche veröffentlicht wurde.
Sollten seine Angaben stimmen, gehört Abu Hamzah zu einer immer größer werdenden Anzahl an ausländischen Jihadisten, die sich nach Syrien aufmachen. Mehrere tausend ausländische sunnitische Kämpfer tummeln sich derzeit in Syrien, rund 100 davon aus Österreich, schätzen Experten und Geheimdienste (Hinweis: Dieser Artikel erschien im April 2014). Ihr militärischer Nutzen im Kampf gegen Assad ist jedoch umstritten: Sie würden im Bürgerkrieg oft keine wichtige Rolle spielen, meinen Kommentatoren. Fehlende Ausbildung und mangelnde Kampferfahrung würden dazu führen, dass sie oft nur als Kanonenfutter enden.
Bedeutung lange überschätzt
Die Position fußt auf der Auswertung historischer Daten: Schon in vorangegangen Konflikten im Nahen Osten waren ausländische Kämpfer fast immer zugegen. Ihre Anzahl hielt sich jedoch in Grenzen, große Aufmerksamkeit erhielten sie trotzdem – von Sicherheitsbehörden, Analysten und vor allem in den Medien. Ihre tatsächliche Bedeutung wurde jedoch oft überschätzt. Am besten ersichtlich wurde das am Beispiel von Anwar al-Awlaki. Der in New Mexiko geborene Imam und Extremist wurde durch eine US-Drohne 2011 getötet. In US-Medien wurde er immer wieder als „Al-Kaida-Anführer“ bezeichnet, obwohl nicht einmal klar war, ob er überhaupt Mitglied der extremistischen Organisation geschweige denn im Führungszirkel war. Abgeschreckt von Beispielen wie diesem, warnen viele vor einer erneuten Überschätzung von ausländischen Jihadisten.
Aber der derzeitige Zustrom von sunnitischen Kämpfern nach Syrien sei „historisch beispiellos“ meint Thomas Hegghammer. Die Nähe zu Europa und die – verglichen mit Afghanistan oder Somalia – leichte Erreichbarkeit des Landes haben zu einem nie dagewesene Ansturm ausländischer Kämpfer geführt. Alle ausländischen Jihadisten in einen Topf zu werfen und ihre militärische Bedeutung von vorne herein anzuzweifeln, werde der Situation jedoch nicht gerecht.
Know-How vom Kaukasus für Syrien
Die Bedeutung am Schlachtfeld hat oft mit der Herkunft der Jihadisten zu tun. Extremisten aus Tschetschenien, Libyen, Bosnien oder dem Irak sind zu einem nicht zu unterschätzenden Faktor innerhalb der bewaffneten Oppositionskräfte geworden. Manche – wie zum Beispiel libysche Kämpfer – brachten gleich ganze Brigaden samt Waffen und Munition mit nach Syrien. Gerade zu Beginn des Konfliktes ein stark gefragtes Gut.
Mittlerweile mangelt es zwar nicht mehr an Waffen, aber das Know-How, das viele der Kämpfer in Auseinandersetzungen in ihren Heimatländern erlangten, ist dennoch gefragt.
Krieg = Logistik
Eine Erfahrung, die viele der Europäer in Syrien nicht mitbringen. Häufig handelt es sich dabei um in Europa geborene oder aufgewachsene Männer im Teenager-Alter. Ihre Radikalisierung erfolgte oft rasant, ihre Reise ins Kriegsgebiet ebenso. Ihre Bedeutung am Schlachtfeld ist wohl enden wollend. Ohne militärische Ausbildung und bar jedweder Kampferfahrung, sind sie oft die ersten, die ums Leben kommen, wenn sie in Kampfhandlungen verwickelt werden. Unwichtig für den Krieg sind sie dennoch nicht.
Denn ein lang anhaltender bewaffneter Konflikt, wie jener in Syrien, beschränkt sich nicht auf einzelne Feuergefechte. Krieg ist in erster Linie eine logistische Herausforderung, die neben großen materielle vor allem auch personellen Einsatz fordert. Denn wer stellt die Munition für die Waffen der Kämpfer her? Wer transportiert sie ans Schlachtfeld? Wo schlafen und essen die Jihadisten? Hier können auch junge, unerfahrene Jihadisten aus Europa eine Rolle spielen.
Propaganda
Wesentlich bedeutender ist jedoch ihre Rolle als Propaganda-Tool:
- Internationalisierung: Mit der Involvierung von europäischen Muslimen im syrischen Bürgerkrieg soll der Beweis angetreten werden, dass es sich bei dem Konflikt nicht um einen Kampf zwischen einem lokalen Machthaber gegen die lokale Opposition handelt, sondern vielmehr um den globalen Kampf von Muslimen gegen ein vermeintlich nicht-muslimisches Regime. Dieses Narrativ soll auch die Unterstützung aus dem Ausland sichern.
- Geld: Einerseits bringen die ausländischen Kämpfer manchmal selbst Geld nach Syrien mit. Andererseits wird durch die Beteiligung ausländischer Jihadisten dessen lokale Gemeinschaft auf die Bedeutung des Kampfes hingewiesen. Jemand, der noch vor Wochen mit den Gläubigen Seite an Seite gebetet hat, kämpft nun – quasi stellvertretend für sie – in Syrien gegen das verhasste Assad-Regime. Das Narrativ des globalen Kampfes der Muslime gegen ein als unislamisch bezeichnetes Regime wird gestärkt und so auch die Spendenbereitschaft.
- Brückenkopf: Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung haben die Kämpfer auch nach ihrer Rückkehr nach Europa. Einerseits erzählen sie von ihren Erlebnissen und den Brutalitäten des Regimes und stacheln mehr Gleichaltrige an. So sorgen sie für Nachwuchs und mehr Spendengelder. Andererseits kennen sie die Kontaktleute vor Ort und können für andere ausreisewillige Jihadisten als Brückenkopf agieren.