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Bangen um Mossuls schiefes Minarett

Blick auf das schiefe Minarett von Mossul. Foto: United States Library of Congress's Prints and Photographs division under the digital ID matpc.16200.

In der umkämpften Stadt Mossul steht ein Minarett, das nicht nur Wahrzeichen ist, sondern hohe symbolische Bedeutung hat.

Straße um Straße kämpfen derzeit Sicherheitskräfte des Irak und schiitische Milizen in der nordirakischen Metropole Mossul, um die Stadt aus den Fängen des „Islamischen Staates“ (IS) zu befreien. Vergangenen Monat setzten sie erstmals aus dem eroberten Ostteil der Stadt über den Fluss Tigris Richtung Altstadt über. Je näher sie dem Stadtzentrum kommen, desto öfter kommt auch ein schiefer Turm mitten im historischen Zentrum Mossuls ins Blickfeld der Kämpfer. Das geneigte Minarett ist weit mehr als nur ein Wahrzeichen der Stadt, das auch auf irakischen Banknoten zu finden ist. Es gehört zur an-Nuri-Moschee, der mehr als 840 Jahre alte schiefe Turm ist ihr Wahrzeichen und von hoher symbolischer Bedeutung.

Als der IS die Stadt im Juni 2014 eroberte, trat nur einen Monat später dessen Anführer Abu Bakr al-Baghdadi in der Moschee erstmals öffentlich auf, um hier die Gründung des „Kalifats“ zu deklarieren.
Der Ort des Auftritts war kein Zufall: Die Moschee ist nach Nur ad-Din Zengi, Statthalter von Aleppo und Mossul im 12. Jahrhundert, benannt. Er ordnete den Bau der Moschee im Jahr 1172 an, am Anblick „seiner Moschee“ konnte er sich aber nicht lange erfreuen – er starb zwei Jahre später. Deswegen ist die Moschee allerdings nicht nach ihm benannt: Nur ad-Din ist berühmt dafür, die muslimischen Kämpfer mobilisiert und vereinigt zu haben, um gegen die Kreuzritter zu Felde zu ziehen. Er war es auch, der die islamischen Territorien Syriens vereinigte. Während seiner 28-jährigen Herrschaft herrschte er über Aleppo, Mossul und zuletzt sogar Damaskus, wo er bis heute begraben liegt.

Risse am Turm

Das auffällig geneigte Minarett ist – neben einigen Säulen und einer Gebetsnische – das Einzige, was von der ursprünglichen Moschee übrig ist. Warum sich das Minarett geneigt hat, ist nicht völlig geklärt. Klar ist nur, dass bereits im 14. Jahrhundert vom schiefen Minarett berichtet wurde. Experten vermuten, dass möglicherweise Sonneneinstrahlung auf Gips und Ziegel die Ursache sein könnten. Im lokalen Volksglauben entstand die Neigung, als sich „der Bucklige“ (al-Hadba‘), wie das Minarett auch genannt wird, vor dem Propheten Mohammed verbeugte, als dieser auf dem Weg ins Paradies war.

Ob das Minarett die Befreiung Mossuls noch als Ganzes erleben wird, ist offen. Bereits 2012 warnte die Uno davor, dass das Minarett einstürzen könnte. Schäden am Fundament, die von Kämpfen im Iran-Irak-Krieg stammen könnten, gefährden den Turm. Meterhohe Risse sind seit Jahren am Turm sichtbar. Im Juni 2014 wurden Pläne verkündet, das Minarett durch technische Maßnahmen zu stabilisieren. Daraus wurde nichts: Wenige Wochen später stand der IS in der Stadt.

Menschenkette rettete den Turm

Des Imams der Moschee, Mohammed al-Mansouri, entledigte man sich noch im selben Monat, nachdem dieser sich geweigert hatte, die Extremistengruppe zu unterstützen. Berichten zufolge sollen IS-Kämpfer im Juli 2014 große Mengen an Sprengstoff in den Hof der Moschee gebracht haben. Daraufhin sollen jedoch zahlreiche Einwohner der Stadt eine Menschenkette um den Turm gebildet haben, weil sie befürchteten, die radikalen Islamisten würden das 840 Jahre alte Wahrzeichen sprengen.

Update 22.Juni 2017: Laut irakischen Sicherheitskräften wurde die Mosche von IS-Kämpfern zerstört.
Autor: Stefan Binder
Titelbild: Quentin Bruno (CC BY-NC-ND 2.0). 
Eine Version dieses Artikels erschien am 6. April 2017 auf derStandard.at
Titelbild: Foto: Matson (G. Eric and Edith) Photograph collection/ Library of Congress/Public Domain
Stefan Binder: Stefan Binder ist Journalist und Blogger in Wien.
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