Zepterdiebstahl im britischen Unterhaus während Brexit-Debatte

Ort heftiger Brexit-Diskussionen: Das Unterhaus in Westminster
Foto: „House of Commons Chamber“ von UK Parliament; Lizenz: (CC BY-NC-ND 2.0)

Um gegen die Verschiebung der Abstimmung über Mays Brexit-Deal zu protestieren, entwendete Labour-Abgeordneter Lloyd Russell-Moyle das zeremonielle Zepter.

Im britischen Parlament liegen die Nerven blank. Nachdem die Regierung im Dezember 2018 angekündigt hatte, die Abstimmung über den von Premierministerin Theresa May ausgehandelten EU-Austrittsdeal zu verschieben, schnappte sich der Labour-Abgeordnete Lloyd Russell-Moyle das zeremonielle Zepter des Unterhauses und ging damit Richtung Ausgang.

Er kam nicht weit: Ein Parlamentsmitarbeiter nahm Russell-Moye das Zepter ab und brachte es an seinen vorgesehenen Platz in der Mitte der Parlamentskammer zurück. Der Abgeordnete wurde für den Rest des Tages von der Sitzung ausgeschlossen.

Votum hinausgezögert

Zuvor richtete bereits John Bercow, Sprecher des Unterhauses, eine Warnung an die Regierung. Es sei respektlos, das Votum nach so vielen Debattenbeiträgen zu verschieben, ohne das Parlament zu befragen, und stattdessen auf prozedurale Tricks zurückzugreifen. Genau das tat aber die Regierung. Nicht das Parlament entschied, die Abstimmung zu verschieben, sondern die Regierung nutzte das komplexe Prozedere von Debatte und Abstimmung, um ein Votum hinauszuzögern.

Das mit Rosen und Perlen verzierte Zepter stammt aus der Amtszeit von Karl II., unter dem im 17. Jahrhundert die Monarchie restauriert wurde. Es repräsentiert den Monarchen. Ohne die Anwesenheit dieses Symbol königlicher Autorität kann das Parlament weder zusammentreten noch Gesetze verabschieden.

Daher wird es vor einem Sitzungstag vom Sergeant-at-Arms in die Parlamentskammer getragen und auf dem Tisch vor dem Speaker gelegt. Nach Ende des Sitzungstages wird es wieder entfernt.

Viele Zepterdiebe

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Abgeordnete das Zepter sprichwörtlich in die eigenen Hände genommen hat und versucht hat, es aus der Kammer zu entfernen. Es scheint sich allerdings um eine Spezialität von Labour-Abgeordneten zu handeln: 2009 entwendete der Labour-Abgeordnete für den Wahlkreis Hayes und Harlington das Zepter, nachdem der Verkehrsminister im Parlament verkündet hatte, den Londoner Flughafen Heathrow ausbauen zu wollen.

Der Flughafen liegt im Wahlkreis des Abgeordneten. 1988 entwendete ebenfalls ein Labour-Abgeordneter das Zepter, um gegen die Einführung einer Kopfsteuer zu protestieren, und warf es auf den Boden. Der Parlamentarier wurde nicht nur ausgeschlossen, sondern musste auch die Kosten der Reparatur in der Höhe von 1.500 Pfund tragen.

Nicht eingesperrt

Glimpflicher kam diese Woche Russell-Moye davon. „Dankenswerterweise haben sie mich nicht in den Tower of London eingesperrt“, sagte er, um gleich hinzuzufügen: „Aber hätten sie es gemacht, hätte ich erwartet, dass sie Theresa May ebenfalls in der Zelle nebenan für ihre Behandlung des Parlament heute eingekerkert hätten. Nach meinem symbolischen Protest darf ich morgen wieder zurück, ich wünschte May nicht.“

Autor: Stefan Binder.
Veröffentlicht am 11.12.2018.

Weiterführende Links:
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