US-Marine versinkt in „Fat Leonards“ Korruptionssumpf

Titelbild: „Glenn braveheart2“ von Wikimedia Commons/Glenn1946 (CC BY-SA 4.0)

Mehr als 60 Admiräle und hunderte Marineoffiziere sind in den Strudel der Korruptionsermittlungen gegen den asiatischen Marinetycoon Leonard Glenn Francis geraten.

Zu seinen besten Zeiten hatte Glenn Defense Marine Asia eine eigene Flotte von 50 Schiffen. Der Marinedienstleister aus Singapur bot vom Auftanken für Schiffe über Hilfe durch Schleppboote bis hin zu einem eigenen Patrouillenschiff mit bewaffneten Gurkhas, um gegen Piraten vorzugehen, fast alles im asiatischen Raum an.

Der beste Kunde der Firma war die US-Marine. Wie sich bei Ermittlungen durch amerikanische Bundesbehörden herausstellte, allerdings nicht, weil Glenn Defense die besten Dienstleistungen erbrachte, sondern weil das Unternehmen am erfolgreichsten hochrangige Mitglieder der US-Marine bestach oder kompromittierte.

Teure Geschenke, Partys, Alkohol und Sex

Damit ist es nun vorbei. Leonard Glenn Francis, schillernder Eigentümer der Firma, wartet in einem US-Gefängnis in San Diego auf die Verkündung seiner Haftstrafe, nachdem er sich 2015 wegen Korruption für schuldig bekannt hat. Seine Firma ist bankrott. Mit ihr versinkt ein Teil der US-Marine in einem der größten Korruptionsskandale ihrer Geschichte. Bisher kamen die Hintergründe nur in kleinen Dosen an die Öffentlichkeit.

Ende 2017 aber platzte eine Bombe: Wie die „Washington Post“ berichtete, sind 60 ehemalige und amtierende Admiräle der US-Marine sowie hunderte Offiziere Teil einer immer ausgedehnteren Korruptionsuntersuchung in den USA. Damit weitet sich der Skandal um den asiatischen Marinedienstleister – vier Jahre nach der Verhaftung von Leonard Francis – weiter aus. Dabei geht es um teure Geschenke, Partys, Alkohol und Sex. Gegen 28 Personen wurde bisher Anklage erhoben, darunter zwei Admiräle. Insgesamt sind in der US-Marine derzeit 210 Admiräle im Dienst.

Von „Leonard the Legend“ zu „Fat Leonard“

Im Zentrum der Ermittlungen steht der 53-Jährige Leonard Glenn Francis, von seinen zahlreichen Freunden in der US-Marine auch „Leonard the Legend“ genannt. Andere haben weniger schmeichelnde Spitznamen für ihn: In US-Medien ist der Korruptionsskandal mittlerweile als „Fat Leonard“-Untersuchung bekannt.

Der 150 Kilogramm schwere Malaysier war bekannt für seinen extravaganten Lebensstil und seine ausgezeichneten Kontakte zu den Spitzen der US-Marine. Viele von ihnen bestach er mit teuren Abendessen, Geschenken, Partys, Alkohol, Prostituierten und anderen „Annehmlichkeiten“.

Mit dem Wohlwollen seiner Freunde in der Marine war es Francis möglich, die amerikanischen Seestreitkräfte zu schröpfen. Seine Firma fälschte Rechnungen, Preisangaben und zahlte Schmiergelder an Personen im Dunstkreis der US-Marine. Er schuf Geisterfirmen und Hafenbehörden, die nie existierten, um den USA Rechnungen für Dienstleistungen zu stellen, die sie nie erhalten hatten.

35-Millionen-Dollar-Betrug

Zugegeben hat Francis nur, dass er damit illegal an 35 Millionen Dollar gekommen ist. Ermittler vermuten jedoch, dass die wahre Summe weit höher ist.

Einen Fall schilderte David Schaus, damals ein niedrigrangiger Offizier im Versorgungsbüro der US-Marine in Hongkong: Glenn Defense stellte 2004 der amerikanischen Marine das Abpumpen von 100.000 Gallonen (378.541 Liter) Abwasser aus einem US-Zerstörer in Rechnung. Der Zerstörer hatte aber nur einen Abwassertank für 12.000 Gallonen (45.424 Liter). Schaus weigerte sich zunächst, die Rechnung zu bezahlen, bezichtigte Glenn Defense des Betrugs, wurde aber von Vorgesetzten zurückgepfiffen. Das sei immer geschehen, wenn er fragwürdige Vorgänge rund um Glenn Defense zur Sprache brachte, so Schaus.

Escortdamen als Santa Claus‘ Helfer

Wie sich Francis dieses Wohlwollen der US-Marinespitze sicherte, zeigt ein Vorfall, der sich im selben Jahr zu Weihnachten abspielte: Ein US-Flugzeugträger ankerte mit drei weiteren Kriegsschiffen im Hafen von Hongkong. Francis schmiss eine Weihnachtsparty für Offiziere im Fünf-Sterne-Hotel Shangri-La.

Die Devise für Francis hieß klotzen statt kleckern: Den Offizieren wurden Filet-Steaks, Hummer und Champagner serviert. Fürs Rahmenprogramm waren als Santa Claus‘ Helfer verkleidete Escortdamen zuständig. Eine Handvoll ausgesuchter Offiziere wurde danach zu einer speziellen Afterparty mit den Escortdamen eingeladen. Am nächsten Tag legte Francis eine Abwasserrechnung in der Höhe von 600.000 Dollar vor.

Schaus, der die Vorfälle der „Washington Post“ schilderte,legte wenige Monate später sein Offizierpatent nieder und schied aus der US-Marine aus. Als einen Grund dafür nannte er die „vorherrschende Korruption“ während seiner Zeit im Nachschub der US-Marine.

Thailändisches „SEAL-Team“

Die beiden geschilderten Erlebnisse waren keine Einzelfälle: Wenn ein US-Marineschiff in einem Hafen ankerte, in dem Glenn Defense tätig war, war Francis oft persönlich anwesend. Er arrangierte Sightseeingtouren, Konzerttickets, und für den Kommandeur des Schiffes stand häufig eine Limousine samt Chauffeur bereit. Ausgewählte Crewmitglieder wurden zu extravaganten Abendessen eingeladen, manchmal flog er sogar sein „thailändisches SEAL-Team“, eine Gruppe von asiatischen Stripperinnen ein, um die Crew bei Laune zu halten. Manchmal funktionierte Francis eines seiner Schiffe, die Glenn Braveheart, in ein gigantisches Partyschiff um, um Offiziere und Matrosen zu unterhalten.

Er arbeitete mit mehreren Escortagenturen in verschiedenen Ländern zusammen und stellte Notizen über die sexuellen Vorlieben von amerikanischen Marineoffizieren – von Vorlieben für thailändische Mädchen bis hin zu Gruppensex – zusammen.

Gerichtsdokumente zeigen, dass Francis Nachbesprechungen mit Prostituierten abhielt, um an Informationen über Offiziere zu kommen, die ihm nützen könnten. Die „Washington Post“ berichtet davon, dass Francis in einem Fall sogar einen Marineoffizier beim Sex mit zwei viatnamesischen Prostituierten in einem Hotelzimmer in Singapur persönlich filmte.

Aufträge trotz Ermittlungen

Der umtriebige wie korrupte Geschäftsmann konnte durch solche Methoden offenbar ein eng gestricktes Netzwerk in der US-Marine aufbauen. Selbst als bereits gegen ihn ermittelt wurde Einladungen zu elitären Zeremonien der US-Marine in Annapolis und Pearl Harbor erhielt. Im Juni 2011, als der Marinetycoon bereits im Fokus mehrerer Untersuchungen war, erhielt seine Firma einen Auftrag der US-Seestreitkräfte in der Höhe von 200 Millionen US-Dollar für den asiatischen Raum.

Francis schien unantastbar, aber eine wahre Flut an Beschwerden und Anzeigen führte 2006 dazu, dass der NCIS, die Ermittlungsbehörde der US-Marine, langsam begann, in dem Fall zu ermitteln. Erst 2009 nahmen die Ermittlungen aber an Fahrt zu. Dass Francis dennoch so lange einer Anklage entwischen konnte, hatte einen Grund. Der Geschäftsmann kannte einen Agenten des NCIS, der ihm Informationen aus den Ermittlungen zusteckte. Im Gegenzug gab’s Prostituierte, Bargeld und Geschenke.

Geheimniskrämerei

2013 platzierten Ermittler in der Datenbank der US-Ermittlungsbehörden die Fehlinformation, dass alle Ermittlungen gegen Francis eingestellt wurden. Wenig später wurde ihm vorgetäuscht, dass er bei einem Treffen mit Admirälen in Kalifornien auf neue, lukrative Verträge mit der US-Marine hoffen könnte. Es war eine Finte der Ermittler: Am 13. September 2013 klickten in einem Hotelzimmer in San Diego die Handschellen. 2015 bekannte sich Francis schuldig, die US-Marine um 35 Millionen US-Dollar betrogen zu haben.

Obwohl es sich um einen der schillerndsten Kriminalfälle und einen der größten Korruptionsskandale in der US-Marine handelt, ist bisher nur wenig an die Öffentlichkeit gedrungen. Die US-Marine hat bisher nur zehn der 440 Namen der Personen, gegen die ermittelt wird, veröffentlicht. Die Liste der namenlosen Verdächtigen wird indes von Monat zu Monat länger.

Autor: Stefan Binder
Veröffentlicht am 31.12.2017
Titelbild: Die Glenn Braveheart, das Flaggschiff der Glenn Defense Marine Flotte. Foto: Wikimedia Commons/Glenn1946 (CC BY-SA 4.0)
Leseliste:
„Washington Post“: The man who seduced the 7th Fleet
„Washington Post“: ‘Fat Leonard’ probe expands to ensnare more than 60 admirals

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