Spannungen in Gibraltar nehmen nach 300 Jahren Säbelrasseln wieder zu

Felsen von Gibraltar
Foto: „38500-Gibraltar“ von xiquinhosilva/Flickr; Lizenz: (CC BY 2.0)

Durch Großbritanniens EU-Austritt nehmen die Spannungen mit Spanien wieder zu. Der Grund ist eine 300 Jahre alte Kronkolonie Gibraltar.

Als wären die Verhandlungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union über den Austritt aus ebendieser nicht schon kompliziert genug, meldet sich nun auch Gibraltar mit Drohungen zu Wort. Der Grund für den neuen Konflikt sind die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU und das Handelsabkommen, das danach abgeschlossen werden soll.

Gibraltar, das einzige britische Überseegebiet, das ebenfalls Teil der EU ist, wird gemeinsam mit Großbritannien aus der Europäischen Union austreten. Bei einem Handelsabkommen könnte es aber den Kürzeren ziehen: Die Verhandlungsrichtlinien der EU sehen vor, dass Gibraltar aus jeglicher Übereinkunft zu Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU ausgeschlossen wird, sollte mit Spanien keine Übereinkunft über den Status des Überseegebiets erreicht werden.

Gibraltar vom Flugzeug aus
Kleiner Fels, großes Problem. Blick über Gibraltar. Foto: „Gibraltar“ von IamRender/Flickr; Lizenz: (CC BY-SA 2.0)

Das britische Überseegebiet warnt davor, dass es alle Rechte, die EU-Bürger in Gibraltar genießen, zurückziehen wird, sollte Spanien einen Brexit-Deal zu Gibraltar mit einem Veto blockieren.Damit bekommt die Saga um die Zukunft der Exklave, die auch von Spanien beansprucht wird, wieder neuen Stoff.

300 Jahre alter Konflikt

Der Konflikt um das 6,7 Quadratkilometer große Gebiet ist 300 Jahre alt. Während der Herrschaft des faschistischen Diktators Franco in Spanien (1936–1975) erreichten die Spannungen zwischen Spanien und Großbritannien einen neuen Höhepunkt. Diese mündeten schließlich in der Schließung der Grenze zwischen Spanien und Gibraltar.

Erst nachdem Spanien 1985 der Europäischen Union beigetreten war, entspannten sich die Beziehungen – bis jetzt. Nur wenige Tage nach dem offiziellen EU-Austrittsgesuch des Vereinigten Königreichs sagte der ehemalige britische Verteidigungsminister Michael Howard, das Vereinigte Königreich sei bereit, Gibraltar zu verteidigen, wie es einst auch die Falkland-Inseln verteidigte. Zur Erinnerung: Bei der Befreiung der Inseln im Südatlantik starben mehr als 900 Menschen, mehr als 2.000 wurden damals verletzt.

Eine Frage des Stolzes

Zwar hat Gibraltar bei weitem nicht mehr die strategische Bedeutung von einst, dennoch geht es für Großbritannien auch heute noch um den Erhalt eines wichtigen Marinestützpunkts. Und um tausende britische Einwohner, die alles, nur nicht Spanier sein wollen. Für beide Königreiche ist es aber vor allem eine Frage des Stolzs.

Für Gibraltar selbst geht es um weit mehr – vor allem wirtschaftlich: Rund 30.000 Einwohner drängen sich um den 426 Meter hohen Felsen, der die ehemalige britische Kolonie prägt. Sie haben vom Beitritt zur Europäischen Union profitiert wie wenige andere. 95 Prozent aller Güter kommen über den Landweg aus Spanien nach Gibraltar, genauso wie 94 Prozent aller Touristen.

12.000 Spanier arbeiten in Gibraltar

Vom britischen EU-Austritt ist auch Gibraltar betroffen – das als einziges britisches Überseegebiet auch der EU beigetreten ist. Mit dem Austritt droht Gibraltar die Wiedereinführung von Zollkontrollen. Das würde auch die 12.000 Spanier betreffen, die in Gibraltar arbeiten – rund die Hälfte aller Arbeitskräfte. Für die Einwohner der Exklave besonders schmerzlich: Beim EU-Austrittsreferendum stimmte die überwältigende Mehrheit der Gibraltarer für einen Verbleib in der EU.

Warum? Zahlreiche Wettanbieter, Versicherer und Finanzdienstleister haben ihr Hauptquartier wegen der geringen Steuersätze und des Zugangs zum EU-Markt in Gibraltar. Auch damit dürfte wohl Schluss sein.

Autor: Stefan Binder.
Veröffentlicht am 16.9.2019.

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