Brexit: Die wichtigsten Fragen zum britischen EU-Referendum

Brexit
 Titelbild: #Brexit von Flickr/Jonathan Rolande. Lizenz: (CC BY 2.0)

Am 23. Juni 2016 stimmte das Vereinigte Königreich über den Verbleib in der EU ab. Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um die Abstimmung über einen Brexit.

Kein Euro, kein Schengen, „Opt-out“ bei Justiz, Inneres und Flüchtlingspolitik, keine bindende Wirkung der EU-Grundrechtecharta und keine Teilnahme an einer immer engeren politischen Union – die Liste britischer „Extrawürste“ in der Europäischen Union (EU ist lange. Wie kein anderes EU-Mitgliedsland hat Großbritannien in den vergangenen Jahren die „roten Linien“ seiner nationalen Souveränität vehement verteidigt und Sonderkonditionen ausverhandelt. Unter anderem den berühmten Briten-Rabatt, durch den Großbritannien vergleichsweise weniger in den EU-Topf einzahlen muss als andere Mitglieder. In der EU ist man damit nicht immer auf viel Gegenliebe gestoßen.

Und trotzdem waren viele Briten unglücklich in der Union. Deswegen wurde am 23. Juni 2016 über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union abgestimmt. Was passiert bei einem EU-Austritt, wer sind die wichtigsten Befürworter und Gegner? Die wichtigsten Fragen zum Referendum:

Über welche Frage wurde am 23. Juni 2016 abgestimmt?

„Soll das Vereinigte Königreich ein Mitglied der Europäischen Union bleiben oder die Europäische Union verlassen?“, stand auf dem Abstimmungszettel im Sommer 2016, mit zwei Möglichkeiten zum Ankreuzen. Die Frage, die dem Wahlvolk gestellt wurde, war zuvor von der britischen Wahlkommission geändert worden, nachdem die Regierung ursprünglich nur die Frage „Glauben Sie, dass das Vereinigte Königreich Mitglied der Europäischen Union bleiben soll?“ vorgeschlagen hatte.

War Großbritannien Gründungsmitglied der Europäischen Union?

Nein, die EU ist aus der 1957 gegründeten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) hervorgegangen. Deren Gründungsmitglieder waren die gleichen wie jene der 1951 gegründeten Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS): Frankreich, Deutschland, Belgien, die Niederlande, Italien und Luxemburg. Großbritannien versuchte sich dem Bündnis später anzuschließen, scheiterte aber am Widerstand des französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle. Er legte 1963 und 1967 ein Veto gegen einen britischen EWG-Beitritt ein. Erst unter dem neuen Präsidenten Georges Pompidou konnte Großbritannien 1973 beitreten.

Handelte es sich um das erste britische Austrittsreferendum?

Nein. Bereits 1975, zwei Jahre nach dem EWG-Beitritt, stimmten die Briten über einen Verbleib in der Wirtschaftsgemeinschaft ab. Damals entschieden sich 67 Prozent gegen einen Austritt.

Wer waren 2016 die Gegner und Befürworter eines Brexit?

Die Brexit-Befürworter wurden vom früheren Londoner Bürgermeister Boris Johnson und dem damaligen Justizminister Michael Gove angeführt. Rund die Hälfte aller konservativen Abgeordneten im Unterhaus befürworteten einen Austritt. Unterstützt wurden sie von der UK Independence Party (Ukip) und deren Anführer, dem Europaabgeordneten Nigel Farage. Auch EU-Skeptiker auf dem Kontinent wie die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen unterstützten die Austrittsbefürworter. Die Gegner eines Austritts wurden vom damaligen Premierminister David Cameron angeführt. Unterstützt wurde er vom Großteil seiner konservativen Regierung, der sozialdemokratischen Labour Party, der Liberalen Partei und der Scottish National Party (SNP). Unterstützung erhielt Cameron auch aus dem Ausland: Von US-Präsident Barack Obama bis zum chinesischen Präsidenten Xi Jinping haben sich zahlreiche Spitzenpolitiker für einen Verbleib Großbritanniens in der EU ausgesprochen.

Wenn Cameron gegen einen Brexit war, warum hat er das Referendum überhaupt angesetzt?

Cameron musste dem Druck seiner eigenen Parteibasis nachgeben: Das Versprechen, ein Referendum über den EU-Verbleib auszurichten, war entscheidender Teil des konservativen Wahlprogramms, mit dem Cameron im Jahr 2015 die Unterhauswahl gewann. Bereits 2013 hatte er ein Referendum versprochen, sich damals aber noch in einer Koalition mit den proeuropäischen Liberalen befunden.

Wer durfte abstimmen?

Bei der Brexit-Abstimmung durften Briten, Iren und Bürger des Commonwealth (53 Staaten), die älter als 18 Jahre sind und im Vereinigten Königreich oder Gibraltar leben, abstimmen. Britische Staatsbürger, die nicht länger als 15 Jahre außerhalb des britischen Staatsgebiets lebten, durften ebenfalls abstimmen. Anders als bei Unterhauswahlen durften beim EU-Referendum auch Mitglieder des Oberhauses, des House of Lords, abstimmen. Nicht abstimmen durften hingegen EU-Bürger, die in Großbritannien lebten, außer es handelte sich um Bürger Zyperns, Maltas (Commonwealth-Staaten in der EU) oder Irlands.

Wieviel würde ein Brexit der britischen Volkswirtschaft kosten?

Darüber gehen die Meinungen stark auseinander. Finanzexperten warnten vor der Abstimmung vor einer Rezession in Großbritannien, Chaos in der EU und Milliarden-Einbußen auch für die kontinentaleuropäische Wirtschaft. Eine Abwertung des Pfund Sterling sowie Kursverluste an den Börsen wurden von Experten vor der Abstimmung bei einem Brexit befürchtet. Die Welthandelsorganisation (WTO) sagte Großbritannien hohe Zollkosten im Falle eines EU-Austritts voraus. Die Einfuhrzölle würden sich auf jährlich 11,8 Milliarden Euro, sagte WTO-Chef Roberto Azevedo  2016 der Zeitung „Financial Times“. Hinzu kämen 5,5 Milliarden Pfund an Exportzöllen auf Überseemärkten. Britische Gewerkschaften und Regierung warnten vor hunderttausend Arbeitslosen. Brexit-Befürworter hingegen sprachen vor der Abstimmung von Panikmache. Manche Experten rechneten im Fall eines EU-Austritts sogar mit einer Erleichterungsrally, denn viele Anleger fuhren wegen der Ungewissheit ihre Investments in Großbritannien schon länger herunter.

Autor: Stefan Binder.
Veröffentlicht am 13.6.2019.

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